Literatur über Gottfried Mairwöger

Erwin Wurm - Ein sentimentaler Text

 

GOTTFRIED MAIRWÖGER war ein Künstler unserer Zeit und sein Leben — sein alltägliches Leben — war ganz eng mit seiner Kunst verbunden. Er schien in und für seine Malerei zu leben und für seinen Sohn BENEDIKT. Die Malerei war sein Mittelpunkt und da trafen wir uns — aber auf andere Weise als man denken könnte. Fast nie waren seine oder meine Arbeiten Inhalt unserer Gespräche, und selten die Kunst unserer Zeit. Aber fast immer war die Kunst der Welt präsent —die alte, die nahe und ferne und die neu zu entdeckende.

 

 

Gottfried hatte in seiner Kunst wenig Verbindung zur Gegenwart. Er fühlte sich oft fremd und missverstanden in der Kunstszene. Gegenwartskunst war wie aus einer anderen Welt für ihn. Irgendwann in seiner Entwicklung kappte er die Verbindung mit der Jetztzeit — vielleicht weil er sich von der Galerienszene, die Zeitströmungen unterliegt, nicht geschätzt fühlte. Vielleicht auch weil sein ehemaliger Lehrer HOLLEGHA ein Korn der Ignoranz in ihn pflanzte. HOLLEGHA war das Beispiel eines Malers, der sich aus Kränkung vom Diskurs zurückzog und alles, was mit Intellektualität und Gegenwartskunst verbunden war, verdammte. Eine fatale Einstellung, da in so einer Schule nichts der Lehrmeinung des Meisters standhält und dadurch die fruchtbare Auseinandersetzung mit Andersdenkenden entfällt. Als Resultat hat auch Gottfried eine zu Anfang sehr nahe an HOLLEGHA entwickelte Arbeit vorgelegt.

 

 

Allerdings begann er ab den 9oer Jahren diesem großen Druck etwas entgegen zu setzen und entwarf im Folgenden ein starkes, eigenständiges Werk. Er erstellte auf seinen vielen Reisen Referenzlinien zur Kunst europäischer und im besonderen Maße außereuropäischer Provenienz zum Beispiel asiatische oder afrikanische Kunst. Das war auch die Zeit, in der ich ihn näher kennen und als Gesprächspartner und Freund schätzen gelernt habe. Beeindruckend war für mich besonders die Ausschließlichkeit, mit der er seiner Tätigkeit nachging. Malen und kochen — er betrieb beide Bereiche mit der gleichen Begeisterung und Hingabe. Ein erstklassiges Gericht und/oder Bild — beides war ihm Ziel und Anliegen. Auf den Reisen verschob sich zwar die Geographie aber nicht die Inhaltlichkeit. Gottfried liebte die höchste Kunst und die höchste Küche und beides suchte er in den verschiedensten Weltgegenden und ließ es in seine eigene Arbeit — Kunst wie Küche — einfließen.

 

 

Dieses Leben und Erleben teilte er oft mit mir bei langen Gesprächen. Seine Kochkunsteinladungen, waren dreierlei: Reportagen über gemeinsame Reisen, Ausstellungen der neuen Bilder und Verkostungen der neuesten Kreationen in der Küche. Gespräche waren die Wege, um Bestätigung und Übereinstimmung zu erfahren. In ihnen habe ich auch die Hingabe und Sorge für unsere durch Scheidung getrennten Kinder erleben und leben dürfen. Da war Gottfried für mich ein Lehrer, der diese schwere Zeit mit ruhiger Gelassenheit durchlebte.

 

 

Nun ist Gottfried weg. Ich vermisse ihn sehr. Seine Küche ist unwiederbringlich dahin, denn Rezepte können niemals das wiedergeben, was er erfand. Seine Bilder aber sind hier, und ich wünsche ihm und mir und uns, dass sie von Betrachtern gesehen, gewürdigt und immer wieder gesehen und dadurch zu neuem Leben erweckt wer-den. Denn die Kunst lebt nun mal nur durch den, der sie schätzt und sonst nichts. Und der Künstler lebt mit.

 

 

ERWIN WURM