Die Unmittelbarkeit des flüchtigen Augenblicks von Licht und Atmosphäre einzufangen und mit Pinsel und Farbe wiederzugeben, hatte sich eine kleine Gruppe von Künstlern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich zu ihrer Maxime gemacht. Damals abfällig als Impressionisten beschimpft und zur alljährlich, im Louvre stattfindenden, etablierten Ausstellung des Salon de Paris nicht zugelassen, konnten sie nicht ahnen, dass sie, als Wegbereiter der Moderne, in die Kunstgeschichte eingehen sollten.
Künstler wie Claude Monet, Auguste Renoir, Camille Pissarro, Alfred Sisley, Edgar Degas und Paul Cézanne nahmen an der legendären ersten gemeinsamen Ausstellung im Atelier des Pariser Fotografen Nadar, im April 1874, teil. Entgegen der damaligen akademischen Lehrmeinung, erhoben die Impressionisten die Farbe zu ihrem primären Gestaltungsmittel und beeinflussten damit nachkommende Malergenerationen. Zahlreiche Vertreter sogenannter Kunst-Ismen, welche die großen Stilepochen der Vergangenheit nun ablösten, folgten ihrem Beispiel. So die Stilrichtung des „Color-Field-Painting“, die sich in Amerika in den 1950er Jahren aus dem abstrakte Expressionismus entwickelte. Zu ihren wohl bekanntesten Pionieren zählen Mark Rothko und Barnett Newman.
Kennzeichnend für jenen Stil, Deutsch als Farbfeldmalerei bezeichnet, sind großflächige, homogen gefüllte Farbfelder, bei der die Farbe in ruhigem Fluss oder in dynamisch, expressiven Gesten auf der Leinwand aufgebracht wird. Ihre Vertreter distanzieren sich in ihren Themen bewusst von jeglichen gesellschaftlichen Bezügen, um sich ganz auf das emotionale Potential der Farbe zu konzentrieren.
Der Begriff des „Color-Field-Painting“, wurde vom amerikanischen Kunsthistoriker und Kunstkritiker Clement Greenberg geprägt. Greenberg war es auch, den Gottfried Mairwöger 1976 anlässlich einer Ausstellung kennenlernte. Bereits damals nahm Mairwöger, als 25 jähriger Student, gemeinsam mit Markus Prachensky, Arnulf Rainer und seinen Lehrern Josef Mikl und Wolfgang Hollegha in Hamburg an einer Gruppenausstellung teil, und avancierte infolge zu einer Art „Shootingstar“ der österreichischen Kunstszene.
Durch die Begegnung mit Greenberg wurde Gottfried Mairwöger seinerseits auf die von Helen Frankenthaler und Morris Louis entwickelte, sogenannte „Soak-Stain-Technik“ aufmerksam. Eine Technik, die Mairwöger im Stil des „Color-Field-Painting“ einsetzte und der von nun an sein großes Interesse galt. Dabei wird Ölfarbe mit Terpentin soweit zu verdünnen, bis sie eine Konsistenz von Wasserfarbe aufweist. Diese wird dann unmittelbar auf die ungrundierte, meist am Boden liegende Leinwand aufgetragen und dringt dabei, wie beim Färbevorgang eines Stoffs, ins Gewebe ein. Jener hier beschriebene Vorgang verlangt einen freien, intuitiver Umgang in der Malerei und damit ein ausgeprägtes Gespür für Farbe und die Beherrschung der angewandten Technik.
Mairwögers Wiedergabe von äußerer und innerer Wahrnehmungen in Form von Farb- und Lichteindrücken beflügeln infolge den Sinn für Imagination beim Betrachter. In seiner, an persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und Beobachtungen anknüpfenden Bildsprache, ermöglicht er einem breiten Publikum einen emotionalen Zugang und verleiht uns dadurch das Gefühl von Nähe und Vertrautheit. Als Inspirationsquelle dienten ihm seine meist mehrere Monate andauernden Auslandsaufenthalte. Die dort gewonnenen neuen Eindrücke - eine andere Kultur, eine andere Natur, ein anderes Licht – ermutigten ihn zu neuen, mitunter kühnen Farbzusammenstellungen.
Wie eine Art Code geben die intensiven, leuchtenden oder auch zarten Farbnuancen Einblick in das, was er sah, was ihn berührte, ihn bewegte: die Farbe des Lavendels unter französischem Himmel, das Safrangelb Indiens, das strahlende Licht auf Mauritius, oder das Grün der Felder des Mühlviertels. Sie alle spiegeln sich in der Fülle, der Strahlkraft und der Empfindsamkeit seiner Bildwelt wieder.
Die Farben allein erzählen in Mairwögers Werk von Glücksmomenten, von Ängsten, von Leid oder von Leidenschaft: gelegentlich treffen sie unvermittelt mit voller Wucht zusammen, dann wieder fließen sie weich und zart ineinander, sodass unser Auge nur mit Mühe Übergänge wahrzunehmen vermag. Jene gemalten emotionalen Momente zeugen von Mairwögers Sensibilität und gewähren uns einen tiefen Einblick in sein Seelenleben. Dabei gibt er viel von sich preis.
Agnes Husslein, Direktorin des Belvedere in Wien, meinte zu seinen Arbeiten:
Seine Bilder sind „einfach gute Malerei“.
Wie aber definiert sich gute Malerei? Laut Hanno Rauterberg, einem deutschen Kunstkritiker, wecke diese zuallererst die Lust am Betrachten. Indem sie Vertrautes auf unvertraute Weise zeige, unterstützte sie unsere Neugier. Gute Kunst will erschlossen, befragt und enträtselt werden - und doch will sie sich einen Rest von Rätselhaftigkeit bewahren. Gute Kunst mache sichtbar, was eigentlich immer zu sehen ist.
So betrachtet ist Mairwögers Werk, tatsächlich „einfach gute Malerei“.
Letztlich aber müssen sie sich selbst als Betrachter ihren persönlichen Standpunkt aneignen. Denn keiner muss sich erzählen lassen, was er sehen soll. Gewiss verändert sich der Blick mit einem entsprechenden Hintergrundwissen. Das Sehen mag an Tiefe gewinnen. Doch fürs Erste genügt es, wenn wir uns als Betrachter darauf einlassen, was uns die Bilder zeigen und welche Empfindungen dabei in uns ausgelöst werden. Kunst braucht folglich das Betrachten, das anteilnehmende Sehen, wie auch den offenen Austausch. Mairwöger teilte wohl jene Ansicht indem er meinte: „Die Botschaft meiner Bilder verstehen auch Menschen, die in Kunstgeschichte nicht besonders bewandert sind. Sie empfinden ihren Rhythmus oder eine ihnen vertraute Farbgebung.“
Dieter Ronte – der ehemaliger Leiter des MUMOK in Wien – sprach von Mairwögers Bilder gar als „eine Liebeserklärung an unsere Welt“. Ich für meinen Teil, kann jener Aussage viel abgewinnen. Denn Maierwögers Malerei ist primär Hoffnung und damit eine gemalte Hommage an das irdische Leben: mal strahlend, mal trist, dann wieder rebellisch oder melancholisch, laut oder zurückgenommen – immer aber sind seine Bilder zutiefst menschlich.
So darf ich Sie nun einladen, sich der Intensität des Sehens, der Lust an der Versenkung und dem Rhythmus der Farben hinzugeben und so in Gottfried Mairwögers Bildwelt der Farbpoesie einzutauchen.