GOTTFRIED MAIRWÖGER lebte kompakt. Er machte früh Karriere, er, der wilde Abstrakte, der Colorfield Painter, noch keine 30 Jahre alt. Damals lernte ich ihn kennen, den bedachten Senkrechtstarter der österreichischen Kunstszene der siebziger und achtziger Jahre.
Er emanzipierte sich rasch von seinen Lehrern an der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Er malte besessen. Sein erstes Atelier war auch sein letztes. Ein Raum ohne Pomp, vollgepumpt mit Bildern - Farbräuschen - Rollen. Ein paar Bücher, viel Reiseliteratur, psychedelische Musik von CDs. Ein Bett, sein Lebtag wohl bestellt, auch ein Fernseher. Im engen »Flur« und auf der Toilette kostbare Farb-Pigmente. Ein paar zu bewundernde Skizzenbücher, die einem klarmachten, dass er ein Unterschätzter war. Der Boden seines Ateliers war durchgefärbt bis zum Estrich. Der Balkon, mit unverstelltem Blick zur Donau und zu Kaisermühlen, glich einer bunten Palette. Ein schmuckloser Tisch, ein wenig Geschirr, viele Töpfe. Kochbücher auch; auf Reisen gesammelte Rezepte, handgeschrieben. Er kochte weit besser als BOCUSE. Zum Bratenduft ein Hauch von Farben und Terpentin. Es brauchte viel Wein, um diesen immerwährenden Geruch zu vertreiben.
Galerien wollten an seinem Können und Glück partizipieren, allen voran die ihn fördernde Galerie Ulysses in Wien. Rasch fand er, ausgehend von des FÜRSTEN KARL SCHWARZENBERGS Räumen im Belvedere, in Wien und in Murau, Zutritt zum österreichischen, deutschen – zum europäischen und amerikanischen Publikum. In Chicago, Hamburg, München, Washington oder Basel war er so angesehen wie in Wien. Privatsammler kauften seine Bilder. Dem Altarraum der Grazer Stiegenkirche verlieh er Kraft und Glaube.
Er war reich und arm, bescheiden und ein Lebemann, der die Frauen, die unzähligen, genoss wie Konfekt. So sind seine Aktentwürfe das Schönste, Zarteste, Frivolste und Unbekannteste, das er hinterlassen hat. Er reiste um die Welt, verinnerlichte Kirchen, Museen, Galerien, Farben, Licht, Landschaften und vorzugsweise exotische Weiblichkeiten. Lebte, rauchte, dem Gras zeitlebens nicht abgeneigt. Liebte. Ein sanfter, verzweifelter liebevoller Macho, der Freunde durchaus brüskieren konnte und wollte.
Er verstand die Welt nicht mehr, dass seine so fulminant begonnene Karriere in den 90er Jahren ins Stocken geriet, sich der Kunstmarkt zunächst von ihm abwandte. Grundlos? Er verkaufte seine Bilder lieber direkt an Sammler und stieß den Galeristen vor den Provisionskopf. Ende der 90er Jahre, bis zu seinem Tod im Jahre 2003, gelang es ihm, wieder zu Technik, Form und Farben zu finden. Er übertraf viele Künstler, die sich mit Bekanntheit und Erfolg schmückten. Wird der „Unterschätzte“, wie PROF. RONTE vermutet, zum Hochgeschätzten? Er hätte es verdient, der junge Wilde, Colorfield Painter, abstrakte und neugierige Mairwöger.
STEFAN JAEGER